Karl Molitor, der Rekordsieger am Lauberhorn

Sechs Mal konnte Karl Molitor die Lauberhornabfahrt gewinnen, doch sein erster Sieg war ein ganz besonderer. Karl Molitor war einer der ganz grossen des Schweizer Ski-Sports. In den späten 30er und den frühen 40er-Jahren polarisierte er den Ski-Zirkus in der Abfahrtsdisziplin wie kein Zweiter.

1938 konnte Skirennfahrer die Lauberhornabfahrt in der Junioren-Kategorie zum ersten Mal gewinnen. Nur ein Jahr später folgte bereits der erste Triumph bei den Erwachsenen. Zwar wiederholte Karl Molitor dieses Kunststück noch weitere fünf Mal und ist damit der Rekord-Titelhalter, keiner seiner Siege war allerdings so kurios und faszinierend wie derjenige 1939.

Karl Molitor, der Rekordsieger am Lauberhorn.

Als Sohn eines Schuhmachers und Sportfachgeschäftbetreibers, bemerkte der in Wengen geborene Molitor früh seine Vorliebe für den Skisport. Bereits als 13-jähriger Knirps machte er mit der Teilnahme am Jungfrau-Sprunglauf (Skispringen) auf sich aufmerksam. Später konzentrierte sich der talentierte Berner Oberländer auf die alpinen Disziplinen Abfahrt und Slalom.

So kam es 1939 dazu, dass Molitor an seinem Heimrennen in Wengen, notabene die schwierigste Abfahrt der Welt, zum ersten Mal triumphierte. Er gewann die Lauberhornabfahrt damals mit sage und schreibe neun Sekunden Vorsprung (!), was damals in der ganzen Schweiz für Aufsehen sorgte.

Wie hat er das nur gemacht?

Neun Sekunden Vorsprung waren auch in der damaligen Zeit eine ganze Menge. Die Skifahrer der damaligen Zeit litten alle unter dem gleichen Problem: Wegen des zweiten Weltkriegs fehlten ihnen oftmals die internationale Konkurrenz. Die Fahrer mussten sich aber auch gegen Fahrer aus dem deutschen Reich behaupten. Die Schweizer wollten damals nicht riskieren, dass nach drei Schweizer Abfahrts-Triumphen in den Jahren davor 1939 ein Deutscher das Rennen machte. Also haben sich, allen voran der Lehrer und die Schulkollegen Karl Molitors, etwas überlegt um die Deutschen zu besiegen. So besagt es die Legende. Vielleicht hatten sie auch einfach Angst, dass „Moli“ nicht genug Potential habe, gegen die Gegner zu bestehen.

Anyway: In der Nacht bevor das Rennen stattfand, präparierten sie eine ca. 150 Meter lange Abkürzung, um ihrem Freund Karl Molitor zum Sieg zu verhelfen.

Das Ganze funktionierte und niemand kam ihm auf die Schliche. Bis ins hohe Alter wurde zwar immer vermutet, Molitor könnte eine Abkürzung genommen haben, Beweise gab es allerdings nie, da es damals ja noch keine Kameras oder dergleichen gab, welche den ganzen Lauf überwachten. In einem Interview mit dem Bund lüftete Molitor allerdings irgendwann das Geheimnis: „Am Abend vor dem Rennen kam unser Dorf­lehrer zu mir und sagte, dass er mit seinen Schülern für mich beim Staubbachbänkli zwischen zwei Toren eine Abkürzung stampfen werde. Er erklärte genau, wo.Die Piste machte eine Rechtskurve, die Abkürzung führte auf direktem Weg zum nächsten Tor. Im Rennen fand ich die Stelle. Doch das Problem war, dass meine Privatpiste nur eine Skilänge breit war. Ich konnte kaum bremsen und wurde so schnell, dass ich, als ich 150 Meter weiter unten wieder auf die Piste kam, fürchterlich stürzte. Ich hatte das Glück, dass die Ski Richtung Ziel schauten, als ich wieder stand. So fuhr ich weiter, und mit ein paar Stockstössen war ich im Ziel – als Sieger mit neun Sekunden Vorsprung.“

1939 blieb jedoch nicht der einzige Titel am Lauberhorn: Karl Molitor gelang das Kunststück auch in den Jahren 1940, 42, 43, 45 und 47. Die insgesamt 6 Siege am Lauberhorn machen ihn damit zum unangefochtenen Rekordhalter. Sein Sieg 1939 wird aber noch lange in Erinnerung bleiben.

Karl Molitor wandte sich nach seiner erfolgreichen Karriere dem Beruf seines Vaters zu und führte dessen Geschäfte weiter. Daneben war er immerwieder im Ski-Zirkus aktiv und war einige Jahre Teil des FIS Slalom- und Abfahrtskomitees. Zudem war er ab 1952 Präsident des Skiclubs und Renndirektor des Lauberhornrennens in Wengen. Dieser Funktion ging er 35 Jahre lang nach. Der Schweizer verstarb am 25. August 2014 im Alter von 94 Jahren in einem Altersheim in Grindelwald.

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